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Jetzt prüfenFehlerhafte Widerrufsbelehrung – Millionen Versicherte betroffen: Der Hintergrund
Um die Entscheidung des BGH zu verstehen, ist zunächst ein gewisses Grundlagenwissen über das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) notwendig. Die Vorschrift regelt unter anderem, welche Widerrufsrechte Verbrauchern zustehen und wann diese ausgeübt werden müssen.
Dem wollte der Gesetzgeber mit § 5a VVG in der alten Fassung entgegenwirken. Der Paragraf sah vor, dass das Widerrufsrecht auch bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nach spätestens einem Jahr erlischt. Eine Verbraucherin klagte gegen die Vorschrift und berief sich auf das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs.2 BGB, da sie sich klar in ihren Rechten als Kundin eingeschränkt sah. Der Europäische Gerichtshof bestätigte die Rechtsauffassung der Verbraucherin und erklärte § 5a VVG für nichtig.
Der BGH übernahm diese Entscheidung und gab der Kundin recht. Die Versicherungsgesellschaft musste den Widerruf der Lebensversicherung auch viele Jahre nach Ablauf der originären Kündigungsfrist noch akzeptieren, da die Widerrufsbelehrung unwirksam war (Urteil vom 07. Mai 2014, Az. IV ZR 76/11).
Zwischen 1994 und 2007 nutzten viele Versicherungsgesellschaften die exakt selbe Widerrufsbelehrung in ihren Verträgen. Da das BGH-Urteil Grundsatzwirkung hat, stehen die Chancen gut, auch gegen diese Lebensversicherungen vorzugehen.
Das Deutlichkeitsgebot: Wann verstößt eine Versicherungsgesellschaft dagegen?
In § 355 Abs.2 BGB ist geregelt, dass Verbraucher über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt werden müssen. Dabei muss die Belehrung dem Deutlichkeitsgrundsatz entsprechen, was etwa in folgenden Fällen nicht zutrifft:
- Der Versicherer versteckt die Widerrufsbelehrung im Fließtext, sodass sie sich nicht deutlich vom Rest der Vertragsbedingungen abhebt
- Beginn und Ende der Widerrufsfrist sind nicht klar bezeichnet
- Die Widerrufsbelehrung ist rechtlich falsch und schreibt etwa vor, dass die Frist bereits mit Erhalt der ersten Vertragsunterlagen beginnt. Richtig wäre, dass sie erst zu laufen beginnt, wenn der Versicherungsnehmer sämtliche Teile der Police erhalten hat
Unrentable Lebensversicherungen: Hohe finanzielle Einbußen
Insbesondere vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren immer wieder steigenden Abschluss- und Verwaltungsgebühren und gleichzeitig sinkender Garantiezinsen werden viele Lebensversicherungen unrentabel. Hinzu kommt die Inflation, die einen Teil des Geldes im wahrsten Sinne des Wortes „auffrisst“. Nicht selten kommt es vor, dass Versicherte wesentlich weniger Geld ausgezahlt bekommen, als sie über ihre Beiträge dem Vertrag zugeführt haben.
Hinzu kommt ein Stornoaufschlag, den Versicherer vom sogenannten Rückkaufswert abziehen können, wenn Sie Ihre Lebensversicherung kündigen. Der Stornoaufschlag muss allerdings im Vertrag vorab vereinbart worden sein (§ 169 Abs. 5 VVG).
BGH-Urteil ermöglicht Widerruf von Renten- und Lebensversicherungen
Seit dem genannten Grundsatzurteil mussten diverse Gerichte in vielen weiteren Fällen entscheiden, ob ein Widerruf der Lebensversicherung möglich ist. Dabei ist die Rechtsprechung insgesamt als sehr verbraucherfreundlich einzustufen.
Beispiele
- Wurde die Widerrufsbelehrung nicht deutlich hervorgehoben, ist sie für den Verbraucher nicht erkennbar und damit unwirksam (BGH vom 17. Dezember 2017, Az. IV ZR 260/11)
- Wird die Widerrufsbelehrung nicht als solche, sondern etwa als „Rücktrittsbelehrung“ bezeichnet, wird der Kunde nicht ausdrücklich über sein Recht informiert. Die Belehrung ist dann unwirksam (LG Chemnitz vom 07. April 2014, Az. 1 O 77/12)
- Fehlt die Widerrufsbelehrung, ist sie ebenfalls unwirksam – in diesem auf den ersten Blick trivialen Fall hat etwa das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 03.03.2020, Az. 12 U 53/19 zugunsten des Versicherungsnehmers entschieden
Verträge zwischen 1994 und 2007 sind betroffen
In den Jahren zwischen 1994 bis 2007 wurden besonders viele Lebensversicherungen mit unwirksamen Widerrufsbelehrungen abgeschlossen. Da die Versicherer nicht mit der Entscheidung des EuGH gerechnet haben, wurden diese Mängel auch nie behoben.
Dabei kommen für einen Widerruf alle Lebens- und Rentenversicherung (egal ob fondsgebunden oder nicht) infrage. Theoretisch ebenfalls möglich, praktisch aber nicht zielführend ist der Widerruf von Rürup-Rentenverträgen und Risikolebensversicherungen, da es bei diesen Policen keinen Rückkaufswert gibt.
Widerrufen statt kündigen: Mehr als nur den Rückkaufswert erhalten!
Bei einer Kündigung der Lebensversicherung zahlt der Versicherer den nach mathematischen Grundsätzen zu ermittelnden Rückkaufswert aus. Er berechnet sich (vereinfacht) nach folgender Formel:
Summe der eingezahlten Beiträge plus erzielte Rendite/Zinsen minus Abschluss- und Verwaltungskosten minus Stornoabschlag wegen Kündigung = Rückkaufswert
Versicherte nehmen hier also erhebliche Nachteile in Kauf. Besonders in den ersten Jahren nach Abschluss der Police sorgen die hohen Kosten schnell dafür, dass die Versicherungsgesellschaft wesentlich weniger Geld auszahlt, als Sie eingezahlt haben.
Bei einem Widerruf ist die genannte Formel nicht anzuwenden. Der Versicherer muss stattdessen alle eingezahlten Beiträge und die gesamte Rendite, die er mit Ihrem Geld erzielt hat, auszahlen. Abziehen darf er lediglich die laufenden Verwaltungskosten, nicht aber die Abschlussgebühren und die Pauschale für die Stornierung des Vertrags.
Das Ergebnis: Sie erhalten wesentlich mehr als bei einer Kündigung! Unsere Kooperationsanwälte prüfen dabei kostenfrei, welche Ansprüche Sie haben und wie Sie sie am besten geltend machen. Dabei tragen Sie keinerlei Kostenrisiko!
Wie widerrufe ich meinen Lebensversicherungsvertrag?
Der Widerruf der Lebensversicherung ist mit einem einfachen Schreiben, das dem Versicherer am besten via Einschreiben zugestellt wird, möglich. Aber: Aufgrund der komplexen Materie und den Erfahrungen aus der Vergangenheit haben Privatpersonen kaum eine Chance gegen die Rechtsabteilung der Versicherungsgesellschaften. Hier sollten Sie sich rechtlichen Rat einholen, um bei Ihrem Widerruf die maximal mögliche Summe zu erhalten.