Was bedeutet „Dringlichkeit“ konkret?
Die sogenannte Dringlichkeit ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen darf. Sie ist im Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das weitere Bedingungen vorgibt, in § 1 Abs.2 Satz 1 eindeutig normiert. Ist die Kündigung also nicht dringlich, bedeutet es im Umkehrschluss, dass sie auch nicht wirksam sein kann – so hat es das Bundesarbeitsgericht klar entschieden.
Wann eine betriebsbedingte Kündigung aus dringlichen Gründen notwendig ist, muss immer im Einzelfall beurteilt werden. Grundsätzlich gelten für die Dringlichkeit aber allgemeine Voraussetzungen, die auf alle Betriebe anwendbar sind:
- Der Arbeitsplatz der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters ist weggefallen oder wird in naher Zukunft wegfallen
- Im Unternehmen gibt es keine andere Stelle, die der Beschäftigte anstelle seines weggefallenen Arbeitsplatzes besetzen kann
- Die Fähigkeit, andere Aufgaben wahrzunehmen, kann auch nicht durch zumutbare Fortbildungen oder Umschulungen erreicht werden
Besonders der Wegfall der Arbeitsstelle ist ein häufiger Streitpunkt. Denn was der Arbeitgeber als „zumutbar“ ansieht, deckt sich in den seltensten Fällen mit der Auffassung des Arbeitnehmers. Im Zweifel muss hier ein Gericht darüber entscheiden, wann zum Beispiel eine Fortbildung bezahlt werden muss und wann nicht.
Wichtig bei wegfallenden Arbeitsplätzen ist außerdem, dass sie nicht nur vorübergehend wegfallen, sondern die Arbeitskraft des Mitarbeiters etwa durch Automatisierung dauerhaft nicht mehr benötigt wird.
Zusätzlich darf es im Unternehmen auch keine Stelle geben, die in naher Zukunft – beispielsweise infolge einer Kündigung oder Expansion einer Abteilung – frei wird. Diese Stelle wäre vorrangig mit dem für die Kündigung eingeplanten Mitarbeiter zu besetzen, bevor sie der Arbeitgeber extern ausschreibt.
Dringlichkeit und Sozialauswahl
Die Dringlichkeit einer betriebsbedingten Kündigung ist auch von der Sozialauswahl abhängig. Denn eine Kündigung kann nur dann dringlich sein, wenn es keinen anderen Mitarbeiter im Unternehmen gibt, der von der Entlassung weniger stark beeinträchtigt wäre.
§ 1 Abs.3 KSchG schreibt vor, dass bei der Sozialauswahl mindestens die Kriterien „Betriebszugehörigkeit“, „Alter“, „Unterhaltspflicht“ und „Grad der Behinderung“ heranzuziehen sind. Alle Beschäftigten, die für eine betriebsbedingte Kündigung infrage kommen könnten, muss der Arbeitgeber anhand der Kriterien in eine Kündigungsreihenfolge bringen und sich bei der Kündigung streng an diese halten.