Was ist der Versicherungsbeginn?
Der Versicherungsbeginn ist ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff, der erst durch Auslegung und konkrete Rechtsvorschriften näher definiert wird. Im Allgemeinen bezeichnet er den Beginn eines Versicherungsverhältnisses, das aus dem Versicherungsnehmer auf der einen und dem Versicherer auf der anderen Seite besteht. In der Praxis wird zwischen formellem, materiellem und technischem Versicherungsbeginn unterschieden.
Allgemeines zum Versicherungsbeginn
Ein Versicherungsverhältnis ist ein sogenanntes Dauerschuldverhältnis, bei dem Sie (= Versicherungsnehmer) mit einem Unternehmen (= Versicherungsgesellschaft) eine vertragliche Beziehung eingehen. Auf der einen Seite verpflichten Sie sich zur Zahlung der vereinbarten Beiträge und zu wahrheitsgemäßen Angaben, auf der anderen Seite verpflichtet sich die Versicherungsgesellschaft zur Zahlung der vertraglichen Leistungen.
Wegen der hohen Relevanz vieler Versicherungsleistungen spielt der Versicherungsbeginn eine wichtige Rolle. Denn passiert in der „Anfangsphase“ bereits ein Schaden, kann es schnell zu Streitigkeiten kommen, wenn der Versicherer behauptet, der Vertrag wäre noch nicht wirksam zustande gekommen.
Der formelle Versicherungsbeginn
Beim formellen Versicherungsbeginn handelt es sich um den formellen, für beide Seiten bindenden, Vertragsabschluss (§ 10 Versicherungsvertragsgesetz; VVG). Der Vertrag kommt zustande, indem Sie als Versicherungsnehmerin oder Versicherungsnehmer das Angebot des Versicherers durch Unterschrift annehmen oder indem die Versicherungsgesellschaft Ihrem Antrag entspricht, die Police zu den entsprechenden Konditionen abzuschließen.
Üblicherweise und soweit Sie nichts anderes vereinbart haben, ist mit dem formellen Versicherungsbeginn auch der erste Beitrag, die Erstprämie, fällig (§ 37 Abs.2 VVG).
Ab dem formellen Versicherungsbeginn sind Sie versichert. Der Versicherer teilt Ihnen in der Police (= dem Versicherungsschein) den genauen Zeitpunkt mit. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schaden eine Sekunde oder vier Jahre nach Versicherungsbeginn eintritt.
Der materielle Versicherungsbeginn
Der materielle Versicherungsbeginn deckt sich in der Regel mit dem formellen Versicherungsbeginn, sofern Sie mit Ihrem Versicherer nichts anderes vereinbart haben. Eine entsprechend abweichende Vereinbarung kann etwa in diesen Fällen sinnvoll sein:
- Sie treten zum 01.10.2022 in ein Beamtenverhältnis ein und schließen bereits zum 01.03.2022 Ihre private Krankenversicherung, die erst sieben Monate später zu laufen beginnt, ab
- Sie erhalten einen Rabatt, wenn Sie Ihre Kfz-Versicherung beim neuen Versicherer bis zum 30.06.2022 abschließen, Ihren bestehenden Vertrag können Sie aber erst mit Ablauf des Jahres kündigen
Wurde zwar der Tag des Versicherungsbeginns in der Police genannt, hat der Versicherer aber keine Angabe zur Uhrzeit gemacht, geht die Rechtsprechung zugunsten des Versicherungsnehmers davon aus, dass der Versicherungsschutz ab 0.00 Uhr des jeweiligen Tages besteht.
Der technische Versicherungsbeginn
Auch dieser deckt sich, sofern nichts anderes vereinbart wird, mit dem formellen und dem materiellen Versicherungsbeginn. Der technische Beginn bezeichnet den Zeitpunkt, der im Versicherungsantrag festgehalten wurde und an dem der erste Beitrag zu zahlen ist. Hier gibt es drei mögliche Konstellationen:
- Technischer Beginn liegt vor dem materiellen Versicherungsbeginn: Der Versicherer zahlt Ihnen die Beiträge für den Zeitraum, in dem noch kein Versicherungsschutz bestand, wieder zurück bzw. verrechnet sie mit den folgenden Prämien
- Materieller Beginn liegt vor dem technischen Beginn: Hier müssen Sie die entsprechenden Prämien nachzahlen
- Formeller, materieller und technischer Beginn entsprechen sich: Das ist der Regelfall, hier entstehen auf keiner Seite Beitragsrückstände oder -überschüsse