Was ist der Widerrufsjoker?
Der Begriff „Widerrufsjoker“ beschreibt den „ewigen Widerruf“ einer Lebensversicherung wegen rechtlicher Mängel im Vertragswerk. Der BGH hat entschieden, dass die Widerrufsfrist bei einer unwirksamen Belehrung nicht beginnt und in der Folge auch kein Ende hat. Dadurch besteht die Möglichkeit des Widerrufs häufig noch Jahrzehnte nach dem Abschluss und eigentlichen Ende der Widerrufsfrist.
Ausgangslage: Die Widerrufsfrist bei Lebensversicherungen
Versicherungsunternehmen müssen ihre Kunden vor dem Abschluss einer Lebensversicherung über das Widerrufsrecht informieren. Denn die Belehrung gehört zu den Pflichtinformationen nach § 8 Abs.2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Nur wenn der Versicherungsnehmer entsprechend der gesetzlichen Vorgaben über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, kann die Widerrufsfrist beginnen. Sie dauert nach § 152 Abs.1 VVG 30 Tage.
Fristen, die nach deutschem Zivilrecht nicht beginnen, können auch nicht enden. Fehlt es daher an einer wirksamen Widerrufsbelehrung, hat die Frist nie begonnen. Gesetzliche Regelungen, die das so entstehende „ewige Widerrufsrecht“ auf beispielsweise ein Jahr beschränken, sind nach der Rechtsprechung des EuGH unwirksam und nichtig.
Der „Widerrufsjoker“ und seine Hintergründe
Damit der „Widerrufsjoker“ greift, muss zunächst ein Verstoß gegen § 8 Abs.2 VVG vorliegen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn der Versicherer
- dem Kunden nicht alle erforderlichen Dokumente, insbesondere Versicherungsschein, Pflichtinformationen und Kostenübersicht, aushändigt.
- eine Widerrufsbelehrung nutzt, die nicht deutlich genug erkennbar, unvollständig oder rechtlich fehlerhaft ist.
- eine Widerrufsfrist angibt, die nicht klar bestimmt oder schlicht falsch ist.
Ein solcher Verstoß kann grundsätzlich zum „ewigen Widerrufsrecht“ des Versicherungsnehmers führen. Ausnahmen gelten nur in wenigen Fällen – etwa, wenn der Versicherungsnehmer sich nur aufs „ewige Widerrufsrecht“ bezieht, um wirtschaftliche Vorteile zu erhalten, tatsächlich aber kein Nachteil aus einer zu spät erhaltenen Belehrung erwachsen ist.
In der Regel führt die fehlerhafte Belehrung daher zu einer zeitlich unbeschränkten Widerrufsmöglichkeit. Der Gesetzgeber hatte in § 5a Abs.3 (alte Fassung) VVG das normativ unbeschränkte Widerrufsrecht auf ein Jahr beschränkt. Versicherungsunternehmen sollten mit dieser Klausel vor den finanziellen Folgen eines Jahrzehnte nach dem Abschluss erklärten Widerrufs geschützt werden.
Der BGH hat mit Urteil vom 07.05.2014 (Az. IV ZR 76/11) festgestellt, dass die entsprechende Klausel unwirksam ist. Dem Urteil des BGH geht eine Entscheidung des EuGH voraus, der die Norm für verfassungswidrig erklärte. Die Folge ist, dass auch weiterhin keine zeitliche Beschränkung für die Ausübung des Widerrufsrechts besteht, wenn die Voraussetzungen vorliegen.
Folgen eines „ewigen Widerrufs“
Üben Sie als Versicherungsnehmerin oder Versicherungsnehmer das „ewige Widerrufsrecht“ aus bzw. ziehen Sie den Widerrufsjoker, können Sie mit einer deutlich höheren Auszahlung als bei der Kündigung rechnen. Denn der Widerruf bewirkt eine vollständige Rückabwicklung der Police, sodass der Vertrag mit dem Versicherer nie wirksam zustande kam.
Die Versicherungsgesellschaft hat daher alle einbehaltenen
- Abschlusskosten,
- Verwaltungskosten und
- Stornopauschalen
wieder auszuzahlen. Gerade diese Kostenpunkte sind es, die die Rendite vieler Lebensversicherungen enorm schmälern. Mit einem erfolgreichen Widerruf können Sie mit einer Erstattung von bis zu 150% Ihrer eingezahlten Beiträge rechnen.